Montag, 19. September 2011

Lieblingsgedichte

Eigentlich bin ich nicht der Gedichte-Typ, aber der Dichter Joachim Ringelnatz (* 7. August 1883 ; † 17. November 1934)  hat es mir angetan. Er schreibt richtig witzige und moderne Gedichte, auch wenn man das bei der Zeit nicht erwarten mag. Hier meine Lieblingswerke:



Überall

Überall ist Wunderland.
Überall ist Leben.
Bei meiner Tante im Strumpfenband
Wie irgendwo daneben.

Überall ist Dunkelheit.
Kinder werden Väter.
Fünf Minuten später
Stirbt sich was für einige Zeit.
Überall ist Ewigkeit.

Wenn Du einen Schneck behauchst,
Schrumpft er ins Gehäuse,
Wenn Du ihn in Kognak tauchst,
Sieht er weiße Mäuse.

Der BriefmarkEin männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wiederküssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens..
                                           

Ein Nagel saß in einem Stück Holz

Ein Nagel sass in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.

Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.

Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und liessen den armen Nagel im Stich.


Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.

Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!




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